Deutsche Millionen für ein Friedensinstitut in Kolumbien

Eröffnung des Friedensinstituts „Capaz“ in Bogota. Foto: Tobias Käufer

In Bogota wurde ein neues deutsch-kolumbianisches Friedensinstitut eröffnet. Zweifel an dieser Millioneninvestion sind angebracht.

Von Tobias Käufer, Bogota

Wer sich einmal die Mühe macht und bei „Google“ die Schlagworte „Colombia, Paz, Fundacion“ (Kolumbien, Frieden, Stiftung) eingibt, wird geradezu erschlagen von den Suchergebnissen. Unzählige Institute, Stiftungen und Organisationen kümmern sich in Kolumbien nach eigenen Angaben um den Frieden. Sagt uns zumindest die Suchmaschine. Nun hat Kolumbien noch ein weiteres Friedensinstitut mit dem wunderschönen Namen „Instituto Colombo-Aleman para la Paz“ (CAPAZ) dazu bekommen. Das deutsch-kolumbianische Friedensinstitut wird nach offiziellen Angaben vom Auswärtigen Amt mit 400.000 Euro jährlich gefördert, andere nicht bestätigte Quellen sprechen gar von einem Etat von bis zu 15 Millionen Euro. Ein strammer Batzen für den deutschen Steuerzahler.

Natürlich sollte man auch dem gefühlt 100. Friedensinstitut in Bogota die Chance geben, sich zu bewähren. Die personelle Besetzung der neuen Einrichtung lässt allerdings auf den ersten Blick erkennen, wohin die Forschungsreise geht. Das von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) und dem Sonderbeauftragten der Bundesregierung für den Friedensprozess, Tom Koenigs (Grüne), angestoßene Projekt, hat sich erst einmal für traditionelle Kapitalismuskritiker entschieden. Die Chancen, dass sie das aus rot-grüner Sicht gewünschte Ergebnis herbeiforschen, stehen also nicht schlecht. Das ist auch legitim, nur sollte dann der deutsche Steuerzahler nicht dafür zur Kasse gebeten werden. Dafür gibt es die Etats der politischen Stiftungen.

Bleibt deshalb abzuwarten, ob das Auswärtige Amt und die Deutsche Botschaft bei der weiteren personellen Besetzung auf eine Meinungspluralität drängen, damit nicht nur eine Sicht der Dinge finanziert wird, sondern eine tatsächlich unabhängige und breit aufgestellte Forschung möglich ist, die alle gesellschaftlichen Strömungen umfasst. Ansonsten drängt sich nämlich der Eindruck der Klientelpolitik auf: Es wird mit viel Geld ein Institut geschaffen, das politisch nahestehende Wissenschaftler mit Forschungsaufträgen versorgt, die sich wiederum mit entsprechenden Ergebnissen revanchieren. Auch die Friedensforschung kann ein lukratives Geschäft sein.

Armutsbekämpfung wäre wichtiger

Bei allen richtigen und sinnvollen Entscheidungen, die das Auswärtige Amt in den vergangenen Monaten im Hinblick auf Kolumbien getroffen hat, insbesondere bei der Unterstützung der Übergangsjustiz oder der Anti-Minen-Projekte, ist die Schaffung eines weiteren Friedensinstituts zum derzeitigen Zeitpunkt verfrüht, wenn nicht sogar zynisch. Solange indigene Kinder in La Guajira verhungern, Menschenrechtler von Paramilitärs gejagt und Soldaten von der ELN-Guerilla getötet werden, sollten die Prioritäten vielleicht erst einmal in diesem Bereich gesetzt werden. Stattdessen trifft sich deutsch-kolumbianische Friedenselite im eleganten National Museum in Bogota bei Fingerfood und Premiumkaffee, von der Wand grüßt ein neues für viel Geld designtes Logo und die Experten sinnieren in weißen Ledersesseln über die Ursachen des Konflikts. Da muss man erst mal schlucken.

Auf meinen Beitrag in der „Welt“ zum Thema habe ich überdurchschnittlich viel Resonanz erhalten. Wie immer positive und negative Kritik. Eine möchte ich aufnehmen: Es hieß, ohne eine Aufarbeitung des Konflikts würde es keinen dauerhaften Frieden geben. Ich finde, dass dies sehr ungerecht gegenüber allen bisher bestehenden Institutionen ist. Wer zum Beispiel die hervorragende Arbeit der Friedrich-Ebert-Stiftung in Bogota kennt, die seit Jahren intensiv und wissenschaftlich fundiert die Ursachen des Konfliktes aufarbeitet, wer die engagierte Arbeit der kirchlichen und zivilrechtlichen Organisationen betrachtet, die sich seit Jahren und zwar an vorderster Front mit der Erforschung des Krieges beschäftigen, der wundert sich, über ein neues, zusätzliches Institut, das plötzlich alles noch besser und tiefgründiger machen soll? Ist die Arbeit von Adveniat, Misereor, Caritas oder von FESCOL, KAS oder HSS nicht gut genug?

Was hätte man mit dem Millionenetat für CAPAZ alles bauen können: Schulen, Straßen, Krankenhäuser – nicht im europäischen Stil, aber in den ländlichen Regionen des Landes, wo der Konflikt besonders heftig tobt, wäre schon eine Grundausstattung eine Riesenhilfe. Und ganz nebenbei würden damit zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen.

Tierra, Techo und Trabajo

Arbeitsplätze ist ein gutes Stichwort. Wann gibt es in Bogota eigentlich einmal einen deutsch-kolumbianischen Investitionsgipfel. Eine Initiative, die von der Handelskammer und der Botschaft getragen, das neue befriedete Kolumbien potentiellen Investoren nahebringt? Papst Franziskus verweist immer wieder darauf, was tatsächlich notwendig ist, um den Frieden dauerhaft zu sichern: Tierra, Techo und Trabajo (Land, Obdach und Arbeit). Es wäre schön gewesen, hätte sich die deutsche Politik erst einmal intensiv um die Armutsbekämpfung in Kolumbien gekümmert. Soziale Wirtschaftspolitik ist immer auch aktive Friedenspolitik. Nun fließen Millionen an den sozial Schwachen vorbei in einen ohnehin schon üppig gefüllten Topf.

Ich hoffe, ich werde von der Arbeit von CAPAZ in den nächsten Jahren eines Besseren belehrt.

Tobias Käufer, Bogota