In Kolumbien drohen die Friedensgespräche mit der marxistischen ELN-Guerilla zu scheitern. Stattdessen sorgt eine Drohung der Rebellen unter der Zivilbevölkerung für Unruhe.
Vor ein paar Tagen explodierten in Kolumbien wieder einmal die Bomben. Bei gezielten Terroranschlägen auf Polizeistationen durch die zweitgrößte Rebellengruppe des südamerikanischen Landes, die marxistische ELN-Guerilla, starben mindestens sieben Polizisten. Mehr als 40 Menschen, darunter auch zahlreiche Zivilisten, wurden zum Teil schwer verletzt. Die Anschläge lösten im ganzen Land Entsetzen und Wut aus.
ELN will Einfluss im Drogenhandel
Denn eigentlich verhandelt die ELN-Führung derzeit mit der Regierung von Präsident und Friedensnobelpreisträger Juan Manuel Santos in Ecuador über einen Friedensvertrag. Sie folgt damit dem Muster der erfolgreichen Gespräche des Staates mit der FARC, der größten Guerillagruppe, die inzwischen einen Friedensvertrag unterschrieb und sich als Partei politisch engagiert. Doch die Gespräche in Quito sind ins Stocken geraten, seit rund um den Jahreswechsel der bilaterale Waffenstillstand endete und es zu neuen Gewaltausbrüchen kam.
Kaum ein anderes Land ist so eng mit Gewalt verbunden wie Kolumbien. Die Exzesse der Drogenbosse sind ein Klischee für Lateinamerika-Krimis, der blutige Kampf um die Macht dauert länger als irgendwo sonst auf der Welt. Jetzt ist nach 51 Jahren Bürgerkrieg Frieden in Sicht. Von Tobias Käufer, Bogota, für die die HAZ.
Das Monster sitzt im Klassenzimmer. Kokain, Heroin, Crystal Meth – die Kids wissen, wie sie an Drogen kommen. Es gibt nur ein Mittel gegen das zynische Geschäft der organisierten Kriminalität, glaubt Lateinamerika-Spezialist Tobias Käufer: Der Staat muss selbst den Drogenhandel übernehmen. Ein Gastbeitrag von Tobias Käufer für die HAZ.
Seit 50 Jahren kämpfen die Farc-Rebellen gegen den kolumbianischen Staat. Jetzt haben beide Parteien einen Waffenstillstand ausgehandelt. Damit könnte einer der längsten Kriege der Welt enden. Von Tobias Käufer, Bogota, für die Tageszeitung „Die Welt“.
Große Ziele hat Kolumbiens Präsident Juan Manuel Santos: Anders als sein Vorgänger versucht er die Probleme seines Landes über den Dialog zu lösen. Vor allem sucht er Frieden mit den Farc-Rebellen. Von Tobias Käufer, Bogota, für die „Welt“.
Die Bewegung „La Ruta Pacífica de la Mujeres“ hat ein Ziel: ein Kolumbien ohne Waffen und Krieg. Das wollen die mutigen Frauen mit friedlichem Engagement erreichen. Der Preis ist ein großes Zeichen in dieser unruhigen Zeit. Von Tobias Käufer für Blickpunkt Lateinamerika.
Während der Rest der Welt in neuen Kriegen versinkt, versucht Kolumbiens Staatschef einen der ältesten bewaffneten Konflikte zu beenden. Bundeskanzlerin Angela Merkel soll ihn dabei unterstützen. Von Tobias Käufer, Bogotá, für „Die Welt“.
Die mit dem deutsch-französischen Menschenrechtspreis „Antonio Narino“ ausgezeichnete kolumbianische Friedensaktivistin Yanette Bautista gehörte zur ersten Opferdelegation, die in der kubanischen Hauptstadt Havanna an den Friedensgesprächen zwischen der linksgerichteten Guerilla-Organisation FARC und der kolumbianischen Regierung teilnahm. Mit der KNA sprach Bautista in Bogota über Morddrohungen, ihr Vertrauen in Präsident Manuel Santos und die Chancen auf ein Ende des bewaffneten Konflikts. Von Tobias Käufer, Bogota, für die KNA.
Die Friedensverhandlungen zwischen der kolumbianischen Regierung und der Guerilla-Organisation Farc gehen in die entscheidende und wohl auch sensibelste Phase. In der kubanischen Hauptstadt Havanna beginnt in dieser Woche die nächste Verhandlungsrunde zwischen den beiden offiziellen Delegationen und endlich finden auch die Opfer des jahrzehntelangen Konfliktes Gehör. Von Tobias Käufer für Blickpunkt Lateinamerika.
Analyse zum Ausgang des ersten Wahlgangs der Präsidentschaftswahlen in Kolumbien
Viele Lateinamerika-Interessierte fragen sich, warum der amtierende kolumbianische Präsident Juan Manuel Santos im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen keine eindeutige Rückendeckung für seine Friedensgespräche bekam. Eine Analyse:
Als Juan Manuel Santos im Juli 2008 als Verteidigungsminister unter dem damaligen Präsidenten Alvaro Uribe die von der linksgerichteten Guerilla-Organisation Farc verschleppte Präsidentschaftskandidatin Ingrid Betancourt mit Hilfe eines Spezialkommandos unblutig befreite, da erreichten seine Zustimmungswerte in Kolumbien Rekordmarken. Die grüne Politikerin war zuvor mehr als sechs Jahre wie ein Tier und unter erbärmlichen Bedingungen als Geisel im Dschungel gehalten worden.
Demonstration gegen die Farc in Bogota. Foto: Tobias Käufer
Als er sich anschließend als Präsident zur Wahl stellte, versprach er seinen Landsleuten eine Fortsetzung der international wegen schwerer Menschenrechtsverletzungen umstrittenen, in Kolumbien aber populären Politik der „demokratischen Sicherheit“. Santos wurde mit deutlicher Mehrheit gewählt. Vor allem das bürgerlich-konservative Lager stand hinter dem gelernten Journalisten. Vieler Kolumbianer haben nicht vergessen wie die Friedensgespräche mit der Farc ein gutes Jahrzehnt zuvor endeten. Mit einer Farc, die wahllos entführte, mordete und den neuen Präsident Uribe 2002 mit Bomben auf den Präsidentenpalast begrüßte. In den acht Folgejahren sorgte Uribe dafür, dass der bewaffnete Konflikt aus den Großstädten verschwand. Dafür sind ihm die Menschen dankbar, trotz bisweilen schwerer Menschenrechtsverletzungen. In weiten Teilen des Volkes setzte sich aber die Meinung durch: Brutaler Terror muss mit brutaler Härte bekämpft werden, koste es was es wolle. Uribe erfüllte in dieser Hinsicht die in ihn gesteckten Erwartungen.
Sein Nachfolger Santos beging 2012 seinen ersten schwerer Fehler: Er begann die Friedensverhandlungen mit der Farc ohne wirkliche demokratische Legitimation. Viele Wähler aus dem bürgerlich-konservativen Lager betrachteten die Gespräche mit den Rebellen als einen politischen Verrat. Sie haben den blutigen Farc-Terror gegen die Zivilbevölkerung nicht vergessen. Damit öffnete Santos eine politische Flanke für seinen Vorgänger Uribe. Der Rechtspopulist mobilisierte das konservative Lager, das sich von Santos angesichts seiner Aussage im Wahlkampf „Ich sorge dafür, dass die Kolumbianer auch weiterhin ruhig schlafen können“, eine Fortsetzung der Politik der militärischen Stärke erwartet hatte. Klüger wäre es gewesen, die mutigen und auch richtigen Gespräche mit der Farc entweder durch ein Referendum absegnen zu lassen oder sie erst zum Gegenstand des Wahlkampfes im Vorfeld der zweiten Amtsperiode zu machen. Das Argument weiteres Blutvergießen zu vermeiden greift hier nicht: Trotz der Verhandlungen töten beide Seiten fleißig weiter. Geändert hat sich bislang nichts.
Mit einem Referendum oder einem durch Wahlen abgesegneten Auftrag hätte Santos dem Rechtspopulismus Uribes den Wind aus den Segeln nehmen können. Sich Gespräche derartiger Tragweite erst nachträglich vom Volk legitimieren zu lassen, war ein blauäugiger Anfängerfehler.
Der zweite schwere Fehler, der die Wähler in die Arme von Uribe trieb, ist die Wahl des Verhandlungsortes. Havanna, Hauptstadt der skrupellosen kubanischen Diktatur, ist für potentielle Wähler aus dem Santos-Lager kein Platz, den sie für derartige Verhandlungen akzeptieren. Ausgerechnet in einem Land, dessen Regime die Opposition konsequent einsperrt und ihr jegliches politisches Engagement verbietet, über demokratische Reformen zu verhandeln, empfinden viele konservative Wähler als schlechten Treppenwitz der Geschichte. Obendrein hat Santos mit dem Verhandlungsort Havanna Spekulationen und Gerüchten den Boden bereitet. Niemand weiß was dort tatsächlich besprochen und verhandelt wird, ist die gefühlte Wahrnehmung vieler Kolumbianer. Havanna steht nicht gerade Transparenz. Die Kritik zahlreicher Opferverbände und indigener Völker, die sich ausgeschlossen fühlen, verstärkt diesen Eindruck. Auch dass sowohl bei der Farc als auch in der Regierungsdelegation ausschließlich Männer in den entscheidenden Positionen über Krieg und Frieden entscheiden, während die Frauen – oft Hauptleidtragende des Konfliktes – keinen Platz am Verhandlungstisch haben, hat das Uribe-Lager – nicht ganz zu Unrecht und mit einer gehörigen Portion Populismus – scharf kritisiert.
In Stockholm, Oslo oder Genf wäre der Verdacht der Klüngelei um den Frieden erst gar nicht entstanden. Und peinliche Abhöraktionen wie sie sich Uribe-Kandidat Zuluaga leistete, wären wohl überflüssig gewesen. Im Übrigen glaubt nur ein naiver Idealist, dass die Gespräche nicht auch vom fleißigen kubanischen Geheimdienst abgehört und die Erkenntnisse anschließend den Farc-Rebellen zur Verfügung gestellt werden.
Die Stichwahl am 15. Juni wird nach meiner Einschätzung Juan Manuel Santos mit einem blauen Auge gewinnen. Er wird dann die Rückendeckung des kolumbianischen Volkes für seinen richtigen Dialog mit der Farc bekommen. Es sei denn, es gibt in den nächsten Wochen noch ein paar dramatische Umfaller in den Reihen des bürgerlichen und links-liberalen Lagers. Auszuschließen ist das nicht. Rechte wie linke Politiker waren in Kolumbien schon immer käuflich. Der Mann, der Kolumbien mit seinen historischen Friedensgesprächen in eine friedlichere Zukunft führen wollte, hätte dann mit vermeidbaren taktischen Fehlern genau das Gegenteil erreicht. Es wäre eine Tragödie.